3-5 Mai Ausstellung in sandhatten, Werkstatt zu Werkstatt im Atelier5 nordiek

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    „Die sind wirklich super bequem und ich würde die auch gerne kaufen, - aber nicht in dieser Farbe. Entschuldigung ich bin farbsensibel.“

     

    Gebürtig aus Berlin, in Bremen aufgewachsen und zurück, lebt sie nun wieder in Neukölln, wo sie sich gerade ein Studio einrichtet. Alina ist Beading Artist – eine Perlenkünstlerin. Sie webt Schmuckstücke und Accessoires mit Aussagekraft. 

    Irgendwo zwischen Grünpflanzen und Jazzmusik treffen wir uns im September auf ihrem Balkon und sprechen über den Entwurf ihrer ersten Ohrring-Kollektion, warum ihr Handarbeit wichtig ist & das Spielen mit Farben ein persönliches Wagnis sein kann.

    Deine Modedesign-Ausbildung liegt jetzt schon ein bisschen zurück. Du kommst aber eigentlich klassisch aus dem Textilbereich. – Wie bist Du zum Schmuck und dem Material gekommen, mit dem Du heute arbeitest? 

    In mir war schon immer ein Teil, der sich gern mit Schmuck, Accessoires, Styling auseinandergesetzt hat. Das hat für mich immer schon etwas Experimentierfreudigeres als die Arbeit am Stoff. Irgendwie kann ich mich da mehr auslassen. Ich dekoriere auch total gern. Vielleicht hängt das zusammen. 

    Und wie bist Du zu den Glasperlen gekommen, mit denen Du aktuell arbeitest?

    Auf jeden Fall bin ich von der Technik zum Material gekommen und nicht umgekehrt.

    Ich habe mich irgendwann einfach mehr mit dem Thema Schmuck und Schmucktechniken auseinandergesetzt und dabei das Weben für mich entdeckt. Im Schmuckbereich wird diese Technik hauptsächlich mit Glasperlen betrieben. 

    ‚Glasperlenweben‘ – Wie muss ich mir das genau vorstellen? Benutzt Du dafür einen Webrahmen?

    Nein, ich arbeite ohne Webrahmen. Ich habe mich dagegen entschieden, weil mir das Arbeiten mit den Händen und die Haptik sehr wichtig ist. Ich muss das, was ich tue, fühlen. Ein Webrahmen würde da nur stören. Das könnte man aber prinzipiell tun.

    Grundsätzlich besteht die Technik daraus, die Glasperlen unter Verwendung unterschiedlicher Stiche aneinander zu weben. Beispielsweise arbeite ich mit Quadrat- oder Netzstichen, mit denen man je nach Bedarf einen anderen Stil erreichen kann. Arbeitet man z.B. mit dem Netzstich, erhält das Schmuckstück eine Struktur, die Zwischenräume lässt, um ggf. auch das Material was darunter liegt, mit zu thematisieren. Der Quadratstich ist hingegen total blickdicht und erzeugt daher auch eine andere Wirkung. 

    Weil Du gerade die Stiche angesprochen hast, - verwendest Du dafür einen Faden oder wie halten die Perlen zusammen?

    Ja genau. Der Faden besteht aus gewachstem Nylon. Nylon ist sehr robust und reißfest und durch das Wachs bleiben die Glasperlen im Prozess des Webens aneinander kleben. Das sorgt dafür, dass ich engmaschiger weben kann und sich später keine Lücken zwischen den Perlen bilden. Der Faden hält sozusagen durch das Wachs die Perlen fester zusammen. Während des Webens wachse ich den Faden auch selbst immer noch ein paarmal nach oder bearbeite ihn so, dass er nicht ausfasert und beweglich bleibt.

    Wenn ich mir anschaue, dass Du mit so vielen unterschiedlichen Farben arbeitest, musst Du eine riesige Auswahl an Perlen besitzen. Wo bekommst Du die her?

    Aus Japan. Ich arbeite ausschließlich mit japanischen Glasperlen,weil die am hochwertigsten sind. Ich muss auch darauf achten, dass die wirklich aus Japan kommen. Es gibt nämlich auch ganz viel Mist da draußen. Das wusste ich vorher auch nicht und habe das erst durch Recherche erfahren. Und dann ,Gottseidank, eineQuelle innerhalb Deutschlands gefunden, die zuverlässig ist und direkt aus Japan bezieht. Von der bekomme ich unterschiedlichste Farben und Stile. Von durchsichtigen zu marmorierten und eingefärbten Perlen. 

    Klingt so als, gäbe es da viel kreativen Spielraum sich auszutoben.

    Das stimmt. Die Vielfalt der Farben und das Akzentuierte sind das, was mir an der Arbeit mit Glasperlen Spaß macht. Von geglättet bis matt, silverline, goldline. Alles ist dabei. Und dann auszuprobieren, was zusammen passt, - das liebe ich einfach. Ich glaube das ist auch der Hauptgrund warum ich mich vom Textil wegbewegt habe. Mir ist das Material Stoff häufig zu plakativ und eindimensional gewesen und ich fühlte mich dadurch kreativ eingeschränkt, konnte nicht so viel ausprobieren. Ich habe jetzt das Gefühl in den Glasperlen mein Material gefunden zu haben. 

    Und nun arbeitest Du an Deiner ersten Ohrring Kollektion, die nur aus Glasperlen besteht, richtig?

    Nicht ganz. Für die aktuelle Kollektion arbeite ich auch mit vergoldetem Silber. Die Glasperlen sind zwar das Hauptmaterial, aber ohne die Goldleisten oder Ohrstecker wären die Perlen meiner Meinung nicht so wirksam. 

    Könnte man also sagen, dass Du die Perlen in gewisser Weise in Szene setzt, auch, weil Du sie mit anderen Materialien kombinierst?

    Ich versuche auf jeden Fall aus dieser Technik mehr herauszuholen, als eben das, was die meisten sich vorstellen, wenn es ums Perlenweben geht. Das Thema wird ja schon von vielen eher als eine Art hausmütterliche Sonntagsbeschäftigung wahrgenommen. Ich möchte die Menschen dafür sensibilisieren, dass es zunächst einmal eine ernstzunehmende Handwerkskunst ist. Dafür nutze ich das Mittel der Farb- und Materialkombination. Ich beschäftige mich intensiv mit den Stichen, den Schmuckelementen im Zusammenspiel, genauso wie mit der Konfrontation von Farben. 

    Jedes dieser Elemente soll eine ästhetische Qualität ausstrahlen. Beispielsweise würden meine Ohrringe nie nur eine Perlenschlaufe und einen Ohrhaken bekommen. Das wäre mir zu anspruchslos und würde dem Material ebenso wie dem Handwerk nicht gerecht.

    Stichwort Handwerk – Du hattest vorhin erwähnt, dass es Dir wichtig ist mit den Händen zu arbeiten. Warum?

    Gute Frage. Ich habe als Kind schon gern mit den Händen gearbeitet. Es gab da nach der Schule immer einen Töpferkurs, erinnere ich mich. Den habe ich geliebt. In der Waldorfschule, auf der ich war, haben wir immer mit Holz gearbeitet und der Werkunterricht war mein Lieblingsunterricht. Handarbeiten und Topflappen nähen zu Klaviermusik. So ging das los bei mir. Ich mag es, wenn ich meine Arbeit unmittelbar mit den Händen berühren kann. Die Perlen machen mir Spaß, weil ich mag wie die sich anfühlen. Die sind sehr weich und anschmiegsam. Deshalb arbeite ich auch häufig an großflächigeren Elementen, wenn ich nicht mit den Ohrringen beschäftigt bin.

    Heißt das, Du arbeitest eigentlich auch oft an mehreren Projekten gleichzeitig? Woran arbeitest Du aktuell noch?

    Genau. Meine Ohrringserie ist aktuell mein Fokus, aber nebenher arbeite ich immer auch an Objekten, an denen ich neue Techniken lerne und ich mich ausprobiere. Ich habe gerade ein paar Hutbänder angefertigt, arbeite an meiner ersten Tasche und überlege auch schon ein Oberteil zu entwerfen, das ausschließlich aus Glasperlen besteht.

    Auftragsarbeiten mach ich auch immer gern.

    Ok, aufwendig! Ich stell mir das so vor, dass Du an größeren Arbeiten viel planerischer rangehen musst. Woher weißt Du z.B. wie viele Perlen Du brauchen wirst usw.?

    Von der Skizze bis zur eigentlichen Arbeit liegt immer ein Weg.

    Am Anfang skizziere ich mir die Ideen in Originalgröße vor. Gerade bei komplexeren Arbeiten hilft mir das, weil ich dadurch dann abschätzen kann, wie viele Perlen ich benötigen werde und welche Maße etc. Das ist dann der Fahrplan, an dem ich mich festhalten kann oder ich male mir Schablonen, die ich dann als Orientierung nutzen kann, wie bspw. jetzt bei meinem Taschenprojekt. So weiß ich immer, wie weit ich weben muss, um auch in der Form zu bleiben, die ich erreichen will.

    Wie war das mit Deinen Ohrringen? Wie hast Du die entwickelt?

    Bei den Ohrringen habe ich mich ganz klar erst an den Farben als an der Form orientiert.

    Ich habe Probestücke gewebt und Kombinationen ausprobiert und parallel ganz viel über das Thema recherchiert. Gerade lese ich auch wieder in einem Buch über Farbkombinationen von einem japanischen Kimonodesigner. 

    Der Einsatz eines Farbverlaufes hat sich erst über einige Stücke hinweg entwickelt. Ich habe anfangs nur oben eine Farbe gewebt und die untere Farbe gar nicht mit in den oberen Teil integriert, sodass die Teile optisch komplett voneinander abgetrennt waren. Und dann ist mir aufgefallen, dass ich die obere Farbe als Übergang mit einweben könnte und habe das auch an einem der Stücke ausprobiert und gelassen, weil mir das sehr gut gefiel. 

    Und wonach hast Du die Farben kombiniert? 

    Das ist unterschiedlich. Teilweise nach dem, was in meiner Wahrnehmung gut zusammen passt, das ist dann sehr intuitiv. Oder aber, und das ist das größere Wagnis für mich, durch den lauten Kontrast. 

    Was meinst Du genau mit ‚Wagnis‘?

    Ich glaube, das Herausfordernde für mich dabei ist, dass ich die Kombinationen immer erst einmal sehen muss. Das bedeutet, ich muss auch immer etwas in Vorleistung gehen und voraus weben, um zu erkennen, ob es stimmig wird. 

    Und gerade bei Kombinationen, bei denen ich denke, dass es vielleicht ganz schlimm aussehen könnte…

    …kostet Dich das sozusagen, ästhetische Überwindung?

    Ja, schon irgendwie. Lohnt sich dann aber häufig auch, weil ich mich geirrt habe. Da kamen echt schon tolle Farbduette dabei heraus, die ich mir erst nicht zusammen vorstellen konnte. Ich habe z.B. einmal eine Kombination mit einem speziellen Gelb versucht und wusste eigentlich, dass ich Gelb überhaupt nicht mag. Als ich die Farbe geliefert bekommen habe, dachte ich auch „Oh Gott, das wird nie was.“ Und dann habe ich die mit einem Silber gepaart und fand’s total schön. Der Ohrring, der daraus entstanden ist, ist immer noch eines meiner Lieblingsstücke.

    Stichwort Lieblingsstück Gab es schon einmal eine Arbeit, die Dir so gut gefiel, dass Du sie nicht verkaufen konntest?

    Ich glaube die Tasche, an der ich gerade arbeite, könnte so ein Stück werden. Das ist wieder so ein großflächigeres Projekt, in das ich einen Kreis einwebe. Allerdings gab es dafür keine Vorlage, so wie beim Nähen. Ich habe dafür drei Anläufe gebraucht, weil ich rausfinden musste, wie ich den Kreis als Muster auf die Fläche bekomme. 

    Aber im Netz findet man doch eigentlich super viele Einträge zum Thema Perlenschmuck selber machen usw. Kannst Du Dir darüber nicht Hilfestellung holen?

    Es gibt leider nicht wirklich viele, die sich über das reine Hobby hinaus mit Glasperlenweben beschäftigen. In Amerika & Japan machen das zwar ein paar auch als Kunst, aber wirklich nur vereinzelt und sehr speziell. Oder es gibt welche, die fertigen Schmuck an, aber leider nicht so elegant. Das hat meistens ein bisschen was Kitschiges und es ähnelt sich sehr. 

    Es ist auf jeden Fall nicht die Art von Kunstfertigkeit, die ich im Sinn habe, wenn ich an dieses Handwerk denke. Deshalb habe ich aufgehört mich an dem, was man so im Netz findet, zu orientieren und konzentriere mich auf meine eigenen Designs. Ich nehme dafür auch in Kauf, dass ich für ein Teil dann mehrere Anläufe benötige.

    Woran erkennt man Deiner Meinung nach ein Alina Naomi Design?

    Mir ist wichtig, dass der Kunde möglichst lange etwas von seinem Schmuckstück hat, sodass ich viel Wert auf hochwertige und langlebige Verarbeitung lege. Um das zu kennzeichnen, erhält jedes Alina Naomi Design ein Signet in Form eines Kreises, woran man erkennen kann, dass es aus meiner Hand kommt und eben diesem Credo entspringt. Bei dem Kreis handelt es sich um einen Gießrückstand, den ich gern erhalten wollte. 

    Außerdem kann man meine Stücke an den Farbkombinationen erkennen. Zumindest wünsche ich mir das. Es sind Stücke, die auffallen, weil sie auch so kombiniert werden wollen. Ich stelle mir vor, dass sie von Leuten getragen werden, die sich in der Regel eher zurückhaltender und schlichter kleiden und das Schmuckstück dann als Farbakzent einsetzen.

    Ich möchte Schmuck kreieren, der Individualität untermalt und dessen Design sich mühelos in den Alltag einbeziehen lässt. Das schönste Gefühl für mich ist, wenn ein Charakter sein ganz persönliches Schmuckstück gefunden hat und es mit Selbstbewusstsein und Stolz trägt.

    Was planst Du als nächstes Projekt?

    Erst einmal plane ich, als Ergänzung zu der jetzigen Kollektion, Einzelstücke anzufertigen, die ich aus Edelsteinen webe und dann mit Echt Gold kombiniere. 

    Was machst Du, wenn Du nicht gerade an Deinem Schmuck arbeitest. Was ist Dein Ausgleich?

    Dadurch, dass ich viel drinnen arbeite, versuche ich eigentlich immer vor die Tür zu gehen. Manchmal sitz ich so lange am Handarbeiten, dass ich das Zeitgefühl verliere. Das ist dann immer der Moment, in dem ich merke, dass ich mal raus muss oder Input brauche. Waldspaziergänge oder Joggen. Ja genau, ich wollte jetzt auch wieder mit dem Joggen anfangen, wobei das mit den Schuhen grad etwas schwierig ist bei mir.

    Wieso?

    Weil ich auf diesen knallbunten Sportschuhen, die es aktuell gibt, einfach nicht joggen kann. Bunte Schuhe sollen bestimmt Spaß und Leichtigkeit ausstrahlen und das tun sie für viele wahrscheinlich auch. Die sind wirklich super bequem und ich würde die auch gerne kaufen, - aber nicht in dieser Farbe. Entschuldigung ich bin farbsensibel. Das mit dem Joggen muss also noch ein bisschen warten. (lacht) 

     

    Interview und Text by f/oska